Presse

Die Unternehmerin

02 / 2002


 

Unternehmensnachfolge:
Warum so viele Firmen daran scheitern
Was die Hilfe eines Coaches bringt

Von Claudia Nuber

Bei ca. 700.000 mittelständischen Unternehmen steht derzeit das Thema Unternehmensnachfolge an.

Bei den 76.000 Übergaben 1999 verblieben rund 50 Prozent innerhalb der Familie, fünf Prozent gingen über ein Management Buy-Out (Übernahme durch das bereits existierende Management) in neue Hände, 15 Prozent wurden von externen Führungskräften übernommen, 20 Prozent der Firmen wurden durch andere Firmen gekauft. Die restlichen 10 Prozent fanden keinen Nachfolger und wurden aufgelöst. Und dies, obwohl gerade bei der Unternehmensnachfolge Berater - wie Anwälte, Unternehmens- und Steuerberater - fast immer eingebunden werden. Die beim Unternehmer und in der Familie vorhandene Gefühlsebene bleibt hingegen weitestgehend unberücksichtigt: Laut Statistik scheitern nur 20 Prozent der Firmenübergaben an fachlichen und sachlichen Problemen, 80 Prozent allerdings an persönlichen und emotionalen Themen. Wenn sich der Firmenchef aus (s)einem Unternehmen, das er jahrzehntelang geprägt hat und das auch ihn selbst prägte, zurückzieht, ist dies eine einschneidende Veränderung mit Auswirkungen auf das gesamte Umfeld - nicht zuletzt auch auf die eigene Familie. Persönliche Missverständnisse und Fehleinschätzungen sind die häufigsten Ursachen für eine missglückte Nachfolge. Diese geht letztendlich überwiegend zu Lasten des Unternehmens und der Mitarbeiter.

"Innerer Kündigung" vorbeugen
Mitarbeiter sind das teuerste und sensibelste Kapital einer Firma. Fehlzeiten und Fluktuationen kosten viel und unnötig Geld - ganz zu schweigen von dem Schaden, den Personal anrichtet, das innerlich bereits gekündigt hat. Jeder einzelne Mitarbeiter verfügt über internes Wissen und fachliche Kompetenz; beides geht dem Unternehmen somit unwiederbringlich verloren. Gerade bei einer Unternehmensübernahme ist der Nachfolger besonders auf dieses Know-how angewiesen und ganz besonders darauf, dass ihm dieses Wissen auch zur Verfügung gestellt wird.
Die Übergabe der eigenen Firma an einen Nachfolger - unabhängig davon, ob dieser aus der Familie oder von extern kommt - verläuft ebenso häufig sehr problematisch: Ein geeigneter Nachfolger muss gefunden werden, der das Unternehmen erfolgreich fortführen kann und will. Es ist nicht das fachliche Know-how allein, das zählt. Vor allem sogenannte "weiche" Faktoren spielen eine große Rolle, zum Beispiel menschliches Zutrauen in Eignung und Fähigkeit des Nachfolgers sowie das Vertrauen, dass die Aufgaben vom Nachfolger erfolgreich gemeistert werden. Der bisherige Firmeninhaber muß innerlich wie äußerlich wirklich loslassen, um dem Nachfolger eine echte Chance zu geben. All die damit verbundenen gedanklichen Prozesse und Entscheidungen sind stark emotional geprägt und bedürfen einer objektiven Unterstützung von außen, um nicht zum Scheitern verurteilt zu sein.

Sensibilität gefragt
Was sind zwingende Voraussetzungen für den Senior, sein Lebenswerk in andere Hände zu geben? Zum einen Krankheit und Tod - deshalb gehört der Familien- und Unternehmensabsicherung höchste Priorität zugewiesen, ab dem Moment, in dem man Unternehmer wird. "Mensch, vergiss nicht, dass Du endlich bist!" - dieses Zitat erweckt bei vielen Unbehagen und Angst. Gefühle, die man innerhalb der Familie oder dem Kollegenkreis selten diskutieren kann und möchte. Damit alleingelassen zu sein, ist für die meisten Menschen unangenehm und die zwangsläufig notwendige Verdrängung dieses Themas kostet viel wertvolle Energie, die dem Unternehmer bei der Bewältigung des Tagesgeschäfts und seines Lebens fehlt. Zum anderen leben wir in einer schnelllebigen Zeit. Traditionelle Geschäftsfelder sind vom rasanten Wandel ebenso betroffen wie Führungsstil und eigene Interessen. Deshalb muss sich jeder Unternehmer fragen, ob er in fünf bis zehn Jahren noch in der Lage sein wird, sein Unternehmen den Erfordernissen der Zeit anzupassen und diesen gerecht zu werden.

Alternative: Coach
Um mit dieser Fragestellung konstruktiv umzugehen, ist der Austausch und die Reflexion mit einem Coach äußerst sinnvoll, weshalb in den vergangenen Jahren immer mehr Unternehmer auf die professionelle Begleitung ihrer Unternehmensnachfolge zurückgreifen. Der Coach ist dem bisherigen Firmeninhaber unter anderem bei folgenden Fragenkomplexen und Überlegungen eine wirkungsvolle Unterstützung:

  • Welche Eigenschaften und Fähigkeiten sind notwendig, um mein Unternehmen erfolgreich in die Zukunft zu führen?
  • Wie stelle ich mir den optimalen Nachfolger vor?
  • Bei Familienbetrieben: Bin ich bei der Einschätzung meiner Kinder objektiv?
  • Wann ist der optimale Zeitpunkt für eine erfolgreiche Übergabe?
  • Wie und bis wann baue ich meinen Nachfolger auf?
  • Bin ich wirklich bereit, loszulassen und mein Lebenswerk zu übergeben?
  • Was ist meine persönliche Motivation, mich zurückzuziehen?
  • Wie sieht mein Leben ohne Firma aus?
  • Welche Probleme können/werden auftreten und wie bewältige ich sie sinnvoll bzw. konstruktiv?

Gleichzeitig erleichtert persönliches Coaching dem Nachfolger den Einstieg und die Übernahme des Betriebes, indem es ihn durch die Fragestellungen begleitet, die im Hinblick auf folgende Themen auftauchen:

  • Welche Herausforderungen stellen sich mir als Unternehmensnachfolger?
  • Will ich sie wirklich annehmen?
  • Meine persönliche Kosten-/Nutzen-Rechnung (Freizeit, Familie, Status, persönliche Erfüllung)
  • Was sind meine Ziele im Hinblick auf die Unternehmensführung?
  • Wie gestalte ich das Unternehmen optimal für die Zukunft?
  • Kann ich meine Ziele / Vorstellungen wirklich realisieren?
  • Kann ich meine Ziele / Vorstellungen wirklich realisieren?
  • Welche Ressourcen stehen mir zur Verfügung?
  • Wie gehe ich mit dem Alt-Unternehmer um, der nicht loslassen kann oder will?

 

Diese Fragestellungen spiegeln nur einen Teil der Einsatzmöglichkeiten von Coaching wider und sind - entsprechend der individuellen Situation und den jeweiligen Bedürfnissen - beliebig ergänzbar.
Der Coach begleitet diese Prozesse (neben dem Anwalt, dem Steuerberater etc.) als neutraler, nicht wertender Beobachter und - überwiegend - als Moderator. Er sorgt dafür, dass gerade bei familieninternen Konflikten tragfähige Kommunikationsstrukturen entstehen, so dass die Überlegungen des einen beim anderen unmissverständlich und diskussionsfähig ankommen.

Kein Allheilmittel
Coaching ist trotz des oben genannten kein Allheilmittel und es ist nicht damit getan, dass man sich einen Coach sucht nach der Devise "der macht das schon". Coaching basiert auf einem gegenseitigem Respekts- und Vertrauensverhältnis, in dem der Coach die Funktion eines verzerrungsfreien Spiegels hat, der den Unternehmer so reflektiert, dass dieser sich objektiv erkennen kann. Da weder der Begriff "Coach" geschützt ist, noch es sich um einen Ausbildungsberuf handelt, ist Vorsicht bei der Auswahl geboten. Hier einige Voraussetzungen, die ein guter Coach unbedingt mitbringen sollte:

  1. Versteht mein Coach die Welt der Unternehmer? Hat er Erfahrung im unternehmerischen Umfeld, welche Einstellung gegenüber Firmeninhabern bringt er mit?
  2. Welche Ausbildung hat mein Coach? Ist er Praktiker mit seriöser Zusatzausbildung im Coaching, ist er Sozialpädagoge oder Psychologe? (Was brauche ich?)
  3. Passt mein Coach zu mir? Ist er mir ebenbürtig oder lässt er sich alles gefallen?
  4. Bringt er mich auf neue Ideen / vermittelt er mir andere Ansichten?
  5. Spricht er meine Sprache?
  6. Ist er loyal und diskret?
  7. Vertraue ich diesem Menschen? Fühle ich mich wohl in seiner Gegenwart?

Was vorsichtig machen sollte:

  1. Der Coach weiß schon alles und hat alles bereits erlebt
  2. Der Coach bewertet Vorgehensweisen, ohne dass er darum gebeten wurde
  3. Der Coach bezieht Position
  4. Der Coach stimmt immer mit Ihnen überein
  5. Der Coach sagt unaufgefordert "wo's langgeht"
  6. Der Coach lässt sich nicht in Ihr geschäftliches und privates Umfeld integrieren
  7. Der Coach hat eine öffentliche Referenzliste und verweist an anderer Stelle auf Diskretion.

 

Damit Coaching als wirkungsvolle Unterstützung funktionieren kann, ist es wichtig, dass man sich uneingeschränkt öffnen kann und weiß, dass das, was man in diesen Gesprächen offenbart, wie bei einem Beichtvater der absoluten Schweigepflicht unterliegt. Deshalb sollte man sich eine entsprechende Geheimhaltungsvereinbarung in Form einer Eidesstattlichen Erklärung geben lassen, die darüber hinaus eine Sektenzugehörigkeit ausschließt. Mit jedem Coach, den man in Betracht zieht, sollte man ein kostenloses Kennenlerngespräch unter vier Augen vereinbaren. Ein seriöser Partner wird sich auch auf ein kostenfreies zweites Gespräch mit Dritten einlassen, das vor Vertragsabschluß stattfindet. Coaching ist eine der Säulen, auf denen eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge steht und deshalb sollten die üblicherweise eingesetzten Berater - wie eingangs gesagt - um diese Funktion dringend ergänzt werden.

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