Presse

Süddeutsche Zeitung

02 / 2001


 

Karriereträume auf seine Kosten

Von Claudia Nuber

Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau. Daran hat sich wenig geändert - nur unser Verständnis von "stark" hat sich gewandelt. Was sind die heutigen Anforderungen an die "starke Frau" hinter dem erfolgreichen Manager? Sie ist es, die für einen perfekt organisierten Haushalt die Alleinverantwortung trägt - also diejenige, die sich um ein reibungsloses Privatleben kümmert; die niemals grollt wenn er schon am Sonntagmittag Richtung USA aufbrechen muss. Sie zeigt Geduld an langen Abenden, die sie ohne ihn verbringt - sie platzt auch nicht, wenn er den lang ersehnten Opernabend wegen dringenden Geschäften absagt. Eine Heilige der modernen Tage? Nicht immer. Sie ist eine selbständige und selbstbewusste Frau, die sich nicht als Anhängsel ihres Mannes versteht. Wenn wir es mit einem besonders belastbaren Modell "Starke Frau" zu tun haben, so studiert sie nebenbei, und/oder baut ihre eigene Firma auf. Und was machen die Männer dieser Superfrauen? Sie wissen, Erfolg fordert den ganzen Mann. Sie treffen weitreichende geschäftliche Entscheidungen - die allerdings oft weniger gut vorbereitet und durchdacht sind, als die ihres häuslichen Pendants - und tragen hohe Verantwortung. Bei Bedarf gönnen sie sich Coaching, um auch weiterhin zu Spitzenleistungen fähig zu sein. Welches emotionales Potenzial in ihrer Beziehung steckt, wird meinen Klienten manchmal erst dann bewusst, wenn ihre Frauen von sich aus das Gespräch mit mir suchen. Warum tun die Frauen das? Sie stellen fest, dass ihr Mann ihnen mehr Aufmerksamkeit schenkt, ihnen mehr Wertschätzung entgegenbringt, sein Zeitmanagement ernster nimmt und dabei wesentlich entspannter ist. Diese Veränderungen bringen die ein oder andere Dame ins Grübeln: Hat er eine andere? Mit wem telefoniert er hinter verschlossener Tür? Wer steckt hinter dem wöchentlichen Termin nach Büroschluss? In diesen Beziehungen gibt es dringenden Handlungsbedarf! Das gilt erst recht für Beziehungen, in denen die Ehefrau "auf dem Standesamt promoviert hat" und ihren Ehrgeiz damit befriedigt, ihren Mann zu immer größeren Karrieresprüngen anzustacheln. Es genügt ihr nicht, dass er zielstrebig die Leiter hinaufsteigt. Der endlich errungene Direktorentitel ist ja ganz nett, aber ein Vorstandsposten sollte es dann doch noch sein. Sie lebt ihre eigenen Karriereträume auf seine Kosten, wie im Märchen vom Fischer und seiner Frau. Männer, die sich von diesen mehr oder weniger subtil agierenden Damen nicht rechtzeitig befreien, wagen sich aus falsch verstandener Liebe beruflich in Sphären, die sie einfach überfordern und erklimmen so schnell die Stufe ihrer höchsten Inkompetenz. Der Absturz durch Kündigung oder Burnout ist fast unvermeidbar.

Es ist überaus wichtig, dass sich Paare mit wenig Zeit füreinander immer wieder neu entdecken, um nicht eines Tages in Routine zu erstarren oder über Scheidungsanwälte den Rosenkrieg auszutragen. Oft werde ich gefragt "Warum kann die Frau nicht der Coach ihres Mannes sein?" Deswegen nicht, weil sie immer persönlich betroffen ist und somit subjektiv urteilt. Ein Coach sieht die Dinge von außen. Eine klare Spiegelung ist nur durch Objektivität möglich. Er oder sie hat die praxiserprobte Ausbildung, um aus der Position des "Nicht-Bewertens" die Reflexion der im Coaching-Prozess auftauchenden Themen wirkungsvoll zu unterstützen. Was sie für ihren Mann allerdings sein kann und heute auch sein muss, ist eine gleichwertige Partnerin, eine Frau, die sich selbst verwirklicht, und nicht durch ihn.

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