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Sessel Wechsel

05 / 2010


 

Coaching - Modeerscheinung oder Möglichkeit?

Von Claudia Nuber

Coaching ist derzeit in aller Munde - jeder coacht jeden und alles wird gecoacht - wie kann man diesen Begriffswirrwarr durchschauen?

Lassen Sie es uns versuchen, indem wir zuerst die Begriffe Training, Beratung und Coaching unterscheiden, die in diesem Zusammenhang oft in einen Topf geworfen werden.

Training versus Coaching
Im Training werden überwiegend fachliche Kenntnisse vermittelt (z.B. PC-Training, Führungskräftetraining), die dann im Alltag entsprechend des Trainierten angewendet werden können.
In der klassischen Beratung werden ausgehend von einem zu verändernden Ist-Zustand vom Berater, teilweise auch in Zusammenarbeit mit dem Kunden, diverse Lösungsansätze abgeleitet. Die Implementierung eines oder mehrerer Konzepte sollte dann zum (idealen) Soll-Zustand führen.
In beiden Fallen ist und bleibt der Trainer / Berater der Experte für die Lösung des Problems, denn es ist seine Aufgabe, die Defizite seines Kunden zu beheben.
Bei Coaching ist es anders: Der Klient ist und bleibt für die Lösung seiner Fragestellung verantwortlich - sie wird ihm nicht von außen vorgegeben. Der Begriff Coaching kommt aus dem Sport, deshalb ein veranschauliches Beispiel aus diesem Bereich: Ion Tiriac hat nie Wimbledon gewonnen, aber er hat Boris Becker zum Sieg gecoacht. Er hat also Boris Becker zum Gewinnen befähigt, gewonnen hat Boris Becker jedoch selbst. Ein Coach mobilisiert also die Stärken seines Klienten.

Coaching - wann und wie?
Im Allgemeinen suchen sich viele Menschen erst dann einen Coach, wenn sie ein vermeintliches Defizit bei sich entdecken, das sie mit Hilfe des Coaches beheben wollen. Professionelles Coaching hingegen befasst sich mit Potenzial-Entwicklung. Es ist das Spiegeln der individuellen Lebens-Landkarte des Klienten, auf der die weißen Flecken sichtbar werden. Dies erlaubt dem Klienten, in Ruhe für sich allein und/oder im Gespräch zu reflektieren; die für ihn passenden Schlüsse zu ziehen und gegebenenfalls seine Sicht- und dadurch auch seine Verhaltensweise zu ändrn. Wenn man sich selbst anders verhält, verändern sich die Reaktionen der Umwelt und konsequenterweise die Resultate ebenso. Diese Veränderungen geschehen in einem Coaching-Prozess, den der Coach anstößt und begleitet.
Coaching findet in Gesprächen statt, allerdings in einem "geschützten Raum", d.h. kein Dritter hört zu, und über alles was gesagt wird, ist der Coach zu absolutem Stillschweigen verpflichtet. Nach einigen Sitzungen ist auch eine Mischung zwischen persönlichem und telefonischem Kontakt notwendig, denn kaum ein Manager hat immer die Zeit für einen wöchentlichen Termin bei seinem Coach.
Diese Sitzungsfrequenz kann am Anfang des Coaching-Prozesses durchaus angebracht sein, abhängig von der Themenstellung. Diese Zeiten sind als Anhaltspunkte zu betrachten, denn jeder Mensch hat seine eigene Geschwindigkeit, Dinge zu verstehen und umzusetzen, wie auch jeder Coach eine andere Vorgehensweise für sinnvoll halten kann. Die Struktur der Zusammenarbeit wird zweckmäßigerweise im Vorgespräch geklärt und im Verlauf den individuellen Bedürfnissen angepasst.
Wie läuft Coaching ab? Es beruht vor allem auf Vertrauen, gegenseitiger Akzeptanz und Respekt. Deshalb muss vor dem Beginn einer Zusammenarbeit ein Vorgespräch stehen, das dem gegenseitigen Kennenlernen dient, zu nichts verpflichtet und manchmal kostenfrei ist.
Die Fragestellung des Klienten und die Zielsetzung des Coachings werden angerissen, ebenso wird der Coach seine Ausbildung und Vorgehensweise darlegen. Es gibt leider keine verbindliche Ausbildung für Coaches und manche Zertifikate sind kaum das Papier wert, auf dem sie stehen.
Bei der Auswahl des Coaches sollten Sie deshalb noch auf Ihre innere Stimme achten und sich Fragen beantworten wie:

  • Kann ich diesem Menschen vertrauen?
  • Fühle ich mich gut aufgehoben?
  • Wird mich dieser Mensch auf meinem Weg voranbringen?
  • Handelt es sich hier um einen adäquaten Sparringspartner?

 

Der Coach sollte über eine gewisse Lebenserfahrung verfügen, den Alltag einer Führungskraft aus der Praxis kennen und verschiedene Werkzeuge in seinem Werkzeugkoffer haben, die er sinnvoll anwendet. Ist der Coach auf nur eine Ausbildungsrichtung festgelegt, besteht möglicherweise die Gefahr, dass dem Klienten eine bestimmte Struktur übergestülpt wird, die ihm weder entspricht noch weiterhilft.
Sehr wichtig ist die Frage, ob der Coach sich einer regelmäßigen Supervision unterzieht. Nur dann kann er seine Objektivität weitgehend gewährleisten. Eine Erklärung zu Sektenunabhängigkeit und Vertraulichkeit sollte vom Coach unaufgefordert angeboten werden. Das Honorar des Coaches, die Art der Rechnungsstellung sowie die voraussichtliche Dauer der Begleitung sind ebenfalls Thema des Kennenlern-Gesprächs.

Mögliche Strukturen und Vorgehensweisen
Coaching trägt der Individualität und Einzigartigkeit des Menschen Rechnung und insofern ist es schwierig, eine generelle Coaching-Struktur aufzuzeigen. Jedes Coaching wird sich vom anderen unterscheiden, je nach Anlas und Zielsetzung.
Am Anfang des Coachingsprozesses muss eine ausführliche Klärung des Ziels und der gegenseitigen Erwartungen bzw. Vorstellungen stehen, so dass Klient und Coach sich auf einen gemeinsamen Weg einigen können. Ein messbares Ergebnis, das am Ende ihrer Zusammenarbeit steht, sollte festgelegt werden. Das kann sein: die wöchentliche Arbeitszeit um fünf Stunden zu reduzieren oder zwei positive Feedbacks zu einer Vorstandspräsentation zu bekommen oder einen bestimmten Auftrag zu erhalten. usw. Daran kann der Erfolg des Coachings später auf objektive Weise gemessen werden.
In der Coaching-Sitzung selbst sind die Verantwortlichkeiten klar verteilt: Der Klient ist der Spezialist sowohl für sein Anliegen als auch für dessen Lösung - d.h. er behält die volle Verantwortung für sich. sein Tun und Lassen.
Der Coach ist Spezialist für die passende Fragestellung im passenden Moment und verantwortlich für die Befähigung des Klienten. Nichts weiß er besser, er urteilt und bewertet nicht.
In keinem Fall wird er von sich aus Lösungen anbieten oder gar Patentrezepte geben! Sollte dies der Fall sein, kündigen Sie sofort die Zusammenarbeit, was ohne finanzielle Einbußen möglich sein muss. Gleiches gilt auch, wenn der Coach vom Klienten gesetzte Grenzen überschreitet.
Nach der Coaching-Sitzung die - normalerweise zwischen ein bis zwei Stunden dauert - sollte sich der Klient erleichtert und energiegeladener fühlen als vorher. Fühlt er sich allerdings schwach, muss das sofort mit dem Coach besprochen werden, um eventuellen Störungen in der Zusammenarbeit vorzubeugen. Zwischen den einzelnen Sitzungen sollte es bei Bedarf die Möglichkeit für kurze Telefonate geben.

Coaching als Führungsinstrument
"Die Führungskraft als Coach" ist bei vielen Firmen das neue Managementcredo. Hier lohnt es sich, einmal darüber nach zu denken, welche Anforderungen wirklich an eine Führungskraft bzw. an einen Manager gestellt werden.
Was hat das Konzept "die Führungskraft als Coach" mit echtem Coaching zu tun? Nichts - also genauso viel wie die Kuh mit dem Spitzenklöppeln. Der Coach unterstützt seinen Klienten in diesem Fall also die Führungskraft seinen Mitarbeiter - darin, dass dieser seine eigenen Lösungen in seiner Geschwindigkeit erarbeitet und umsetzt.
Viel ehrlicher und vor allem wesentlich wirkungsvoller ist es, auf einen kooperativen Managementstil zu setzen, der sich an ethischen Werten orientiert, wie

  • Integrität (z.B. wenn der Chef X sagt, meint er X und tut auch X),
  • Authentizität (z.B. wenn der Chef lobt, dann meint er es auch ehrlich) und
  • gegenseitiger Achtung und menschlichem Respekt.

 

An diesen Grundhaltungen für erfolgreiche Mitarbeiterführung wird in Führungskräftecoachings immer wieder gearbeitet. Nicht zuletzt deshalb, damit der Klient seiner Vorbildfunktion, an die seine Führungsverantwortung geknüpft ist, gerecht wird.
Coaching ist längst nicht so trocken oder anstrengend, wie bei Weiterentwicklungsmaßnahmen immer vermutet wird. Lachen ist ein wichtiger Faktor bei der Informationsaufnahme: Die Sauerstoffzufuhr ist erhöht, das Gehirn wird besser durchblutet und ist somit aktiver. Diese Faktoren machten sich schon im Mittelalter die damaligen Hofnarren zunutze, die oft als Einzige den Mächtigen den Spiegel vorhalten durften, ohne um ihr Leben zu fürchten. Heute wird die Rolle des court jester oftmals vom Coach bekleidet.
Man sagt oft, dass ein guter Coach sich bald überflüssig macht, denn er versetzt seinen Klienten nach 3-4 Sitzungen in die Lage, sich selbst zu coachen. Veränderungsprozesse brauchen ihre Zeit und schon Einstein sagte: "Probleme sind nicht auf der Ebene zu lösen, auf der sie entstanden sind". Das heisst, kein Mensch ist mit sich selbst objektiv; als Beteiligter ist er immer subjektiv. Alle neigen wir dazu, in Bezug auf uns selbst blinde Flecken zu haben und manches nicht wahrzunehmen.

Der "innere Dialog"
Unser Denken plappert pausenlos. Wenn wir alles, was wir denken, diktieren würden und uns dann mit dem Geschriebenen auseinandersetzen müssten, wäre uns die Kontrolle des Denkapparates mindestens genauso wichtig wie die der Unternehmenszahlen. Warnungen wie "Das kannst du nicht", "Der meint es bestimmt nicht so", "Das haben wir schon immer so gemacht, neue Ideen kann ich nicht durchsetzen.", "Pass auf, an deinem Stuhl wird gesägt", "In der Sitzung werde ich mich wieder blamieren, am besten gehe ich gar nicht hin" etc. und ihre Auswirkungen auf Befindlichkeit und Aktiviät sind jedem von uns bekannt.
Diese inneren Gespräche zeigen bestimmte Verhaltensmuster an, die durch die Arbeit mit einem Coach positiv beeinflusst und teilweise aufgelöst werden können. Daher ist meiner Erfahrung nach Selbstcoaching der Ausdruck für eine bestimmte Technik. die es erlaubt, innerlich einen Schritt zurückzugehen, um aus der Distanz zu sich selbst das, was ist, zu reflektieren. Dazu bedarf es gut gesetzter Anker, die in gewissen Situationen oder durch bestimmte Verhaltensweisen aktiviert werden. Im übertragenen Sinne handelt es sich um eine Art Ampelsystem, das freie Fahrt, Vorsicht oder Anhalten signalisiert. Dieses ausgeklügelte System kann zwar durch die Lektüre eines Buches, am besten jedoch in Zusammenarbeit mit einem qualifizierten Coach erarbeitet werden.

Wie finde ich den für mich passenden Coach?
Ein Coach ist ein Begleiter fürs Leben, ein zerrungsfreier Spiegel, dessen Spiegelung die eigene Wahrnehmung schult und eigene Potenziale entdecken Iässt. Deshalb prüfe, wer sich ewig bindet: Zu den eingangs erwähnten Fragestellungen abschließend noch einige Tips:

  1. Sehen Sie sich mehrere Coaches an.
  2. Vergleichen Sie Erfahrung und Angebot.
  3. Achten Sic auf Erscheinung und Ihren ersten Eindruck.
  4. Prüfen Sie das Thema Vertraulichkeit - kein seriöser Coach nennt unaufgefordert Referenzen oder gibt sein Kundenportfolio preis!
  5. Fragen Sie nach regelmäßiger Supervision und Fortbildung.
  6. Lassen Sic sich erklären. wo der Coach seine Kompetenzgrenzen zieht.
  7. Wenn möglich, fragen Sie nach einem Mini-Coaching - denn probieren geht über studieren!
  8. Sollten Sie mit diesem Coach nicht zusammenarbeiten wollen, fragen Sie nach einer Empfehlung - souveräne Coaches haben damit kein Problem.

 

Übrigens:
Ein Coach ist ein Luxus, den man sich gönnt - wann fangen Sie damit an?

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